Kinder am Handy und Tablet

Kurzsichtigkeit bei Kindern

Rechtzeitig erkannt, kann das Fortschreiten reguliert werden

Vermehrte Naharbeit und ein verringerter Aufenthalt im Freien führen bei Kindern zu einem Anstieg der Kurzsichtigkeit (Myopie).

Bei kurzsichtigen Menschen besteht in späteren Lebensjahren ein erhöhtes Risiko, an bestimmten Augenerkrankungen zu erkranken, wie z.B. Netzhautablösung oder Glaukom. Daher sollten schon möglichst in einem frühen Lebensalter Maßnahmen gegen eine zunehmende Kurzsichtigkeit ergriffen werden.1,2,3
 

Mit geeigneten Gegenmaßnahmen kann das Fortschreiten reguliert werden.

Regelmäßige Untersuchungen sind erforderlich, um die negative Entwicklung frühzeitig zu erkennen.

Da der Anteil der weltweit von Kurzsichtigkeit betroffenen Personen auf 1,5 Milliarden gestiegen ist, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zunahme der Myopie zu einem globalen Gesundheitsproblem erklärt. Die Zunahme ist in Europa mit unter 50 % noch etwas weniger stark ausgeprägt als in Asien mit 80 %4.


Ursachen für die kindliche Kurzsichtigkeit

Sowohl genetische Faktoren, als auch das Verhältnis von Tageslicht, Bildschirmzeit und Outdoor-Aktivitäten bestimmen über die Entstehung und das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit in der kindlichen Wachstumsphase mit.

Kinder kurzsichtiger Eltern weisen ein deutlich erhöhtes Myopie-Risiko auf. Sind beide Eltern myop, liegt die Wahrscheinlichkeit bereits 6 mal höher als bei nicht kurzsichtigen Eltern.1

Kinder mit Handy und Tablet in der Hand

Einen noch größeren Einfluss auf die Entwicklung der Myopie als die genetische Veranlagung hat jedoch das visuelle Verhalten junger Menschen. 

Kommt es zu einer dem Alter nicht angemessenen übermäßigen Nahbelastung und einem damit verbundenen erhöhten Akkommodationstonus, so versucht das Auge, mit vermehrtem Längenwachstum wieder ein scharfes Bild zu erzeugen. Der Augapfel wird in Relation zum Alter zu groß. Das Auge myopisiert (wird zunehmend kurzsichtig). In Europa sind mittlerweile knapp die Hälfte der 25 bis 29 Jährigen kurzsichtig.1,2 


Welche Therapieansätze gibt es, um die Zunahme der Kurzsichtigkeit zu regulieren? 

Gemeinsam wird in Absprache mit Eltern und Kind von Augenärzt:in und Orthoptist:in ein jeweils maßgeschneidertes Konzept zur Vermeidung einer weiteren Zunahme einer fortschreitenden Kurzsichtigkeit (progrediente Myopie) erstellt. 

Es stehen folgende Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Bei allen sind laufende und engmaschige medizinische Kontrollen eine wichtige Basis für entsprechende Behandlungserfolge.

Jugendliche bekommt Tropfen ins Auge eingetropft
  • Augentropfen Therapie
    Wenn die Kurzsichtigkeit innerhalb eines Jahres um mindestens eine halbe Dioptrie zunimmt, kann eine Atropin-Tropfen-Therapie mit hochverdünnten Atropin-Augentropfen angewandt werden. Diese Form der Behandlung wurde in großen Studien erfolgreich getestet und kann kurzsichtigen Kindern im Alter zwischen etwa 6 und 14 Jahren angeboten werden. 
    Die Augentropfen werden abends vor dem Zubettgehen verabreicht. Nach zwei Jahren Therapiedauer wird medizinisch entschieden, ob die Behandlung fortgesetzt werden sollte. Die Datenlage hierzu ist solide, und das Verhältnis von Nutzen und Nebenwirkungen günstig. 1
  • Brillengläser mit versteckten „Waben“ (peripherer Defokus)
    Diese defokussierenden Gläser nutzen unterschiedliche Glasstärken in der zentralen Sehzone und der Peripherie, um das Längenwachstum des Auges zu verlangsamen.1,2,3
     
  • Multifokale Kontaktlinsen mit peripherem Defokus
    Diese verfolgen das gleiche optische Prinzip wie defokussierende Brillengläser und sind ähnlich wirksam. 1,2,3
     
  • Orthokeratologische Kontaktlinsen (Nachtlinsen). 
    Diese formstabilen Linsen werden nur nachts getragen, tagsüber sehen die Kinder ohne Linsen scharf. Auf Grund des erhöhten Infektionsrisikos ist aus orthoptischer Sicht hier eine besonders enge medizinische Begleitung angeraten.3


Was kann man vorbeugend tun, um Kurzsichtigkeit zu vermeiden?

Die Aufgabe der Orthoptist:innen besteht auch in der Beratung über das richtige Sehverhalten und in der Aufklärung über präventive Maßnahmen.3

In Studien wurde festgestellt, dass ein vermehrter Aufenthalt im Freien die Zunahme der Kurzsichtigkeit reduziert. Als Grund dafür wird zum einen der vermehrte Blick in die Ferne (weniger Zoom-tätigkeit der Augenlinse) aber auch der wachstumshemmende Einfluss des Tageslichts angesehen. Es wird daher empfohlen, vermehrt Outdoor-Aktivitäten durchzuführen und mindestens 2 Stunden täglich oder 10 Stunden pro Woche bei Tageslicht im Freien zu verbringen. 1,2,3
Ebenso sollte auf ausreichend große Leseabstände geachtet und regelmäßige Pausen bei der Naharbeit eingelegt werden. 1,2,3
 


Autorin

Doris Martius-Nusser, Orthoptistin

Quelle

  1. Stellungnahme von DOG, BVA und Bielschowsky Gesellschaft für Schielforschung und Neuroophthalmologie Empfehlungen bei progredienter Myopie im Kindes- und Jugendalter Juni 2022
  2. Strohmaier, C., & Pieh, S. (2019). Myopieprogressionshemmung - Zusammenfassung der aktuellen Literatur. Spektrum der Augenheilkunde, 33,105-109. doi:10.1007/s00717-019-0431-3
  3. Resch, R. E (2022). Myopieprogression. (online_Vortrag Jahrestagung orthoptik-austria, 21.-22.10.2022). 
  4. DOG. (2021). Weltkindertag am 20. September. Leichter Anstieg der kindlichen Kurzsichtigkeit flacht nach dem Lockdown wieder ab. retrieved from: https://www.dog.org/wp-content/uploads/2021/02/PM-DOG-2021-Kurzsichtigkeit-und-Pandemie_September-2021_F.pdf. am, 4.4.2022.